Auch die Seele braucht einen Frisör

Seit über einem Jahr leben wir im Ausnahmezustand. Die Corona-Pandemie bestimmt auch weiterhin unseren Alltag in allen Lebensbereichen.
Es ist nicht mein Anliegen, jede einzelne Corona-Maßnahme in Frage zu stellen oder zu hinterfragen. Nichtsdestotrotz scheint mir, dass die religiösen Gemeinschaften, die mir sehr am Herzen liegen, in dieser Krise zu stiefmütterlich behandelt werden.

Auch sie müssen selbstverständlich bestimmte Corona-Regelungen einhalten. Aber in meinen Augen sind gewisse Maßnahmen nicht immer kohärent und nachvollziehbar! Warum dürfen nur so wenige Menschen an Messfeiern teilnehmen, obwohl viele Gotteshäuser die räumlichen Voraussetzungen erfüllen, um mehr Gläubigen eine Teilnahme zu ermöglichen. Hier hätte ich mir von Virologen und politischen Entscheidungsträgern eine nuanciertere Vorgehensweise gewünscht.

Aber auch die Medien zeigen nur sehr geringes Interesse an den Belangen der Religionsgemeinschaften in dieser Krise.

So kommt bei religiös verankerten Menschen die Frage auf: „Gibt es uns etwa nicht?“ Nun könnten der Horeca-Sektor und die Kunst- und Kulturszene enttäuscht behaupten: „Uns gibt es auch nicht“! Doch über diese Bereiche wird immerhin noch berichtet.

Für nicht wenige Menschen gehören Spiritualität und Glaube zu den geistigen und kulturellen Gütern. Sie sind Balsam für die Seele! In den Supermärkten „knubbeln“ sich die Menschen! Ja, sie tragen Masken (meist korrekt), aber sie bewegen sich und halten nicht immer den nötigen Mindestabstand ein.

In den Gotteshäusern sitzen die Menschen auf Abstand und sind nicht in Bewegung! Sie beten und feiern ihren Glauben. Mag sein, dass in Ostbelgien die religiöse Praxis anders aussieht als in Großstädten. Das Bedürfnis der Menschen in Ostbelgien, ihren Glauben zu feiern und zu leben, ist sicher größer als anderswo.

Gerade deshalb bleibt es so wichtig, an die Entscheidungsträger zu appellieren: Berücksichtigt die religiöse Dimension des Menschseins mehr in euren Entscheidungen.

Bewundernswert war in den letzten Monaten die Kreativität der Pastoralteams der Pfarren. Viele suchten nach neuen Möglichkeiten zur Gestaltung des religiösen Lebens. Natürlich war und ist die Situation gewöhnungsbedürftig. Wem aber der Glaube wichtig ist, der wird sich auf neue Wege einlassen. Gerade jetzt – so kurz vor Ostern – sollte jeder mutig ein „Hallelujah“ singen dürfen!

Marlene Backes, ProDG-Vorstand