Wenn aus dem Standort eine Marke wird

Mit dem Ziel, Ostbelgien als Lebens- und Arbeitsregion zu bewerben, wurde 2017 die Marke „Ostbelgien“ ins Leben gerufen. Mittlerweile vereint sie 380 Markenpartner und 280 Botschafter unter ihrem Dach.

Es ist eine durchaus breit aufgestellte und viele Bereiche des öffentlichen Lebens in der DG umfassende Kampagne, die vor ziemlich genau sechs Jahren, am 15. März 2017, unter dem Titel „Marke Ostbelgien“ offiziell ins Leben gerufen wurde. Wie hat sich das Projekt seitdem entwickelt und wo soll die Reise hingehen? Auf diese Fragen gab Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) während eines Pressegesprächs am vergangenen Donnerstag in den Räumlichkeiten des Eifeler Unternehmens Karl Hugo AG einige Antworten. Flankiert von Bernd Hugo, Geschäftsführer der Karl Hugo AG, und Steven Gass, Leiter des Ostbelgienfestivals, als Vertreter aus Wirtschaft und Kultur, die von Anbeginn der Kampagne dabei sind.

Bereits bei der Präsentation 2017 stand der demografische Wandel als Damoklesschwert, das nicht nur aber auch über der Deutschsprachigen Gemeinschaft schwebte, ganz oben auf der Liste der Gründe, „Ostbelgien“ als Markenzeichen in die Welt zu tragen. Auch nach sechs Jahren war es am Donnerstag der erste und ausführlichste Punkt, den der Ministerpräsident ansprach. Er erinnerte nochmals an die beunruhigende Ersatzquote von 0,4, die uns in den nächsten Jahren bevorsteht. Sie besagt, dass von zehn Arbeitnehmern sogenannter Mangelberufe, die altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, lediglich vier junge Menschen nachrücken werden. Deshalb sei es „eine mathematische Konsequenz, dass ohne Zuwanderung dieser Fachkräftemangel nicht in den Griff zu bekommen sein wird“, so Oliver Paasch. Deshalb soll künftig die Marke noch punktgenauer zur Fachkräftesicherung eingesetzt werden, indem sie Fachkräfte gezielt mit Markenpartnern vernetze. Gleichzeitig müsse aber auch einer Abwanderung von Fachkräften entgegengewirkt werden, um den Standort Ostbelgien zu sichern. Zu diesem Zweck wurden Kommunikationswerkzeuge erstellt, die es erlauben, den Ostbelgierinnen und Ostbelgiern ein attraktives Bild ihrer Region mit hohem Freizeitwert und interessanten Arbeitgebern zu vermitteln. Neben Themenkampagnen vermitteln auch Online-Kanäle (Webseite, Facebook, Instagram, YouTube und LinkedIn) diese Botschaft. Eine ganze Palette von Werbematerialien werden zur Verfügung gestellt um alle Bürger und Unternehmen zu befähigen, „Botschafter ihrer Region zu werden“. Deshalb wurde ein Markenpartnernetzwerk aufgebaut, das mittlerweile 380 Partner zählt (216 Unternehmen, 103 Vereine und 61 Einrichtungen). Zudem wurde ein sogenanntes Botschafternetzwerk (über 280 Ostbelgier in der Welt, Pendler und Wahlostbelgier) und ein sich noch im Aufbau befindliches Studentennetzwerk errichtet.

Durch einen konzertierten Maßnahmenkatalog sollen die aufgebauten Netzwerke der Botschafter, Studenten und Markenpartner miteinander in Verbindung gebracht werden. So informiert beispielsweise ein Newsletter ostbelgische Studenten über Praktikumsstellen oder Jobangebote von ostbelgischen Markenpartnern. Damit ankommende Fachkräfte enger in beruflichen und privaten Fragen begleitet werden können, laufen derzeit Sondierungen mit relevanten Anlaufstellen, wie beispielsweise dem Arbeitsamt der DG (ADG). Gemeinsam soll erörtert werden, wie das Thema „Orientierung für ankommende Fachkräfte“ in der DG weiterentwickelt werden kann. Ostbelgische Studenten, jene mit dem Wahlfach Deutsch sowie des 3. Bachelor- und der beiden Master-Jahrgänge der Hochschule HEC Lüttich, können zudem regelmäßig ostbelgische Markenpartnerunternehmen besuchen. Diese „Unitouren“ sollen nun auch auf andere Hochschulen und Universitäten ausgeweitet werden. Zudem haben Markenpartner die Möglichkeit, sich in einem digitalen Schaufenster als Arbeitgeber gegenüber interessierten Arbeitnehmern zu präsentieren.

Als zentrale Schnittstelle für all diese Initiativen, Kampagnen und Netzwerke dient die eigens dafür eingerichtete Onlineplattform www.ostbelgieninfo.be. Hier können sich nicht nur weitere Organisationen und Vereine für eine Teilnahme an dem Netzwerk „bewerben“, sondern auch Studenten, Arbeitssuchende, Unternehmen, Vereine, Organisationen, Botschafter,… vernetzen, informieren und austauschen. Zweifelsohne ist diese umfangreiche und fast alle Lebensbereiche tangierende Initiative ein wirkungsstarkes Instrument, auf die Vorzüge der Deutschsprachigen Gemeinschaft als in vielen Bereichen attraktiver Arbeits- und Lebensstandort hinzuweisen.

Widersprüchlich aber auch als gewisse Bauernschläue darf sicherlich das Vorgehen gewertet werden, die doch recht zahlreichen „ausgewanderten“ Ostbelgier für Ostbelgien werben zu lassen mit den Zielen, die Region für Außenstehende als attraktiven Lebens- und Arbeitsort zu präsentieren aber gleichzeitig soll ebenfalls vermieden werden, dass Einheimische auswandern. Abschließend sei Ministerpräsident Oliver Paasch nochmals zitiert mit einer Aussage anlässlich der Auftaktveranstaltung 2017 zu der Frage, ob „Deutschsprachige Gemeinschaft“ nun komplett durch „Ostbelgien“ ersetzt werde: „Wir bleiben natürlich die Deutschsprachige Gemeinschaft. Das steht ja auch so in der Verfassung. Aber in der Außendarstellung stellen wir uns komplett unter das Dach Ostbelgien. Insofern gelingt es uns, die verfassungsrechtliche Wirklichkeit zu respektieren, gleichzeitig aber etwas anderes an die Stelle von DG zu setzen“.

GrenzEcho am 20.03.2023