„Vorwegnehmen kann ich, dass das Haushaltsergebnis 2022 deutlich besser ausgefallen ist als geplant und dass die Haushaltsanpassung 2023 unspektakulär ist“, antwortet Ministerpräsident Oliver Paasch auf die Frage, wie sich das Budget grundsätzlich entwickelt. Parallel dazu liefen die Verhandlungen über den belgischen Haushaltspfad zwischen allen Finanzministern des Landes. Am Montagmorgen findet die Finanzministerkonferenz in Brüssel statt. Der Konzertierungsausschuss, in dem alle Regierungen des Landes vertreten sind, werde dann voraussichtlich am Freitag eine Entscheidung über die Haushaltsziele aller Gliedstaaten bis 2026 treffen.
„Wir wollen 2025 wieder eine schwarze Null im laufenden Haushalt.“
„Für uns sind das sehr wichtige Verhandlungen, weil sie unsere mittelfristigen Handlungsmöglichkeiten massiv beeinflussen. Wir sind darauf aber sehr gut vorbereitet, weil wir als Erste in Belgien – schon unmittelbar nach Ausbruch der Coronakrise im April 2020 – unsere finanzpolitischen Ziele angepasst und präzise festgelegt hatten, wie wir diese Ziele erreichen wollen“, erläutert der Regierungschef.
„Es bleibt dabei: Wir wollen schon 2025 wieder eine schwarze Null im laufenden Haushalt erreichen. Die Haushaltskontrolle hat bewiesen, dass wir das schaffen können“, fügt er hinzu. Zwei Faktoren sind aus seiner Sicht entscheidend: „Wir hatten vor der Coronakrise unseren gesamten Haushalt ins strukturelle Gleichgewicht gebracht. Als einzige Gemeinschaft hatten wir in den Jahren 2018, 2019 und 2020 die schwarze Null erreicht. Als einzige Gemeinschaft in Belgien sind wir vor den Krisen mit unserem Einkommen ausgekommen“,so Paasch. „Wir haben also unsere finanzpolitischen Hausaufgaben rechtzeitig gemacht.“
Im Gegensatz zu anderen müsse die DG heute „keine Altlasten“ mehr aufarbeiten. „Wir können uns finanzpolitisch voll und ganz auf die Bewältigung der Krisen konzentrieren.“ Die heutigen Defizite seien nämlich „ausschließlich auf die Krisen“ seit März 2020 zurückzuführen, betont er: Corona, Flutkatastrophe, Putins Angriffskrieg und die Energie- bzw. Inflationskrise. „Wir haben wegen dieser Krisen, und nur wegen dieser Krisen, entschieden, die schwarze Null für einige Jahre aufzugeben, um unserer Bevölkerung zu helfen, durch die größten globalen Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg zu kommen.“
Die DG habe millionenschwere Hilfspakete geschnürt, und allein die Coronakrise habe 90 Millionen Euro gekostet. „Weitere 40 Millionen haben wir nach der Flutkatastrophe investiert, um den Gemeinden und Einrichtungen in unserem Zuständigkeitsbereich zu helfen, ihre zerstörten Infrastrukturen wieder aufzubauen.“
Mit Abstand am teuersten sei für die DG aber die Inflationskrise. „Wir habe riesige Hilfspakete zur Verfügung gestellt, um zu verhindern, dass die Inflationskrise die Seniorenzentren, nicht kommerzielle Organisationen, Schulen und viele andere in den finanziellen Bankrott treibt.“ Ohne diese Hilfspakete der DG hätten die vier globalen Krisen vieles von dem zerstört, „was unsere Heimat ausmacht“. Das sei „unbestreitbar“. Lebensqualität, Gesundheitsversorgung und gesellschaftlicher Zusammenhalt wären für die nächsten Jahrzehnte massiv beeinträchtigt worden, wenn die DG nicht eingegriffen hätte. Oliver Paasch: „Ich stehe zu diesen Entscheidungen, auch wenn ich weiß, dass wir deshalb neue Schulden machen müssen. Die schwarze Null in solchen Zeiten aufrechtzuerhalten wäre aus meiner Sicht nicht verantwortbar gewesen. Umso wichtiger ist jetzt, dass wir schnell wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückkehren.“
Es gebe aber noch einen zweiten Punkt: Die DG sei wie Flandern „Nettozahler“ in Belgien. „Die Finanzierungsgesetze des Föderalstaates legen jedoch fest, dass der Beitrag Flanderns und der DG zur innerbelgischen Solidarität ab 2024 progressiv abgebaut wird. Das ist geltendes Recht. Dadurch werden unsere Einnahmen deutlich steigen.“
Der Eindruck trüge, dass die DG in angespannten Zeiten allzu großzügig Geld ausgibt, während anderswo überall gespart werden müsse, antwortet er: „Wir haben in den laufenden Ausgaben bereits 50 Millionen Euro eingespart, um 2025 wieder eine schwarze Null im laufenden Haushalt erzielen zu können. Wir haben auch beschlossen, dass wir unser Investitionsprogramm, das wir 2020 erarbeitet hatten, trotz Preissteigerungen nicht erhöhen. Das bedeutet, dass wir bei der Bewertung jedes einzelnen Infrastrukturvorhabens priorisieren und abspecken müssen.“
Insgesamt sieht die DG im Zehnjahres-Programm Zuschüsse von 600 Millionen Euro für Infrastrukturen vor: „Ich verstehe, dass eine solche Summe abschrecken kann. Das klingt nach sehr viel Geld. Und man kann ja auch gegen diese Investitionen sein. Man kann entscheiden, dass man darauf verzichtet und stattdessen Schulden abbaut. Nur, wenn man darauf verzichtet, muss man die Konsequenzen seiner Entscheidung bedenken“, erklärt der Ministerpräsident. Der größte Teil dieser 600 Millionen soll in die Schulstandorte von St.Vith und Kelmis fließen. „Wir wollen die Schulen dort sanieren und auf einen modernen pädagogischen Stand bringen. Wir wollen die Lern- und Lebensbedingungen verbessern. So wie wir das vor einigen Jahren mit dem Schulbauprogramm in Eupen und in vielen Gemeindeschulen getan haben.“ Wer darauf verzichte, werde erleben, dass diese Schulen „auf kurz oder lang zerfallen“ und dass beispielsweise das ZAWM in St.Vith keine Ausbildungsstätte bekomme.
Zweiter Schwerpunkt seien die Krankenhäuser. „Wer auf diese Investitionen verzichtet, wird erleben, dass beide Krankenhäuser in absehbarer Zeit geschlossen werden müssen.“ Außerdem gehe es um wichtige Investitionen in die Wohn- und Pflegezentren für Senioren und in den Klimaschutz. Paasch spricht von Investitionen in die Lebensqualität. „Und wir können uns diese Investitionen leisten.“
„Wir sparen, aber wir tun das möglichst sozial-verträglich.“
In anderthalb Jahren werde der laufende Haushalt wieder eine schwarze Null aufweisen. „Das behaupte ich nicht nur; das geht aus unserer Finanzplanung eindeutig hervor und wird vom unabhängigen belgischen Rechnungshof geprüft. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir bereits 50 Millionen eingespart.“ Diese Durchforstung der sogenannten fakultativen Ausgaben werde man in den nächsten Monaten konsequent fortsetzen. „Wir sparen, aber wir tun das möglichst sozial-verträglich. So wie wir uns das in unserer finanzpolitischen Strategie vorgenommen hatten.“
Eingeplant sei ebenfalls, dass die DG nach 2028 keine Investitionen in Infrastruktur mehr abschreiben bzw. neutralisieren werde. „Auch hierfür schaffen wir derzeit alle notwendigen Voraussetzungen, beispielsweise indem wir wichtige Investitionen vorziehen“, sagt Oliver Paasch.
GrenzEcho am 24.04.2023, S. 6