Standort Ostbelgien soll attraktiver werden

Dem Fachkräftemangel zu begegnen, ist erklärtes Ziel der DG-Regierung. Einen Beitrag dazu soll ein Stipendiensystem für Mangelberufe leisten. Die finanzielle Förderung von monatlich 350 Euro, von der Auszubildende, Studierende und Sekundarschüler des 7. berufsbildenden Jahres Gebrauch machen können, soll ab September 2023 greifen.

Ministerpräsident Oliver Paasch und Bildungsministerin Lydia Klinkenberg (beide ProDG) stellten das Konzept in dieser Woche in den Räumlichkeiten der Huppertz AG in St.Vith vor. „Sekundarschüler, Studierende und Auszubildende können das Stipendiensystem beantragen, wenn sie volljährig sind und ein siebtes berufsbildendes Jahr, ein Studium oder eine duale Ausbildung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft absolvieren, die auf einen Mangelberuf vorbereitet. Die Stipendienempfänger erhalten nach Genehmigung für die Dauer ihres Studiums oder ihrer Ausbildung einen monatlichen Betrag in Höhe von 350 Euro. Dieser ist nicht rückzahlbar, wenn sie in einem Zeitraum von zehn Jahren insgesamt fünf Jahre mindestens halbzeitig in der Deutschsprachigen Gemeinschaft arbeiten“, fasst die Ministerin das Stipendiensystem zusammen.

Anreiz für ein Studium oder eine Ausbildung, das auf eine Tätigkeit in einem Mangelberuf vorbereitet.

Mit der Schaffung eines auf die DG zugeschnittenen Stipendiensystems möchte die Regierung einen Anreiz schaffen, sich für eine duale, eine technisch-berufliche Ausbildung oder ein Studium zu entscheiden, das auf eine Tätigkeit in einem Mangelberuf vorbereitet. Auf Grundlage der Liste der Mangelberufe (siehe Hintergrund), die jährlich vom Arbeitsamt veröffentlicht wird, erstellt die Regierung künftig eine Liste aller Studien- und Ausbildungsgänge, die auf einen dieser Berufe vorbereiten. Personen ab 18 Jahre, die sich für ein in dieser Liste aufgeführtes Bildungsangebot in der DG entscheiden, können das Stipendium beantragen.

Wie Lydia Klinkenberg betont, „spielen der sozio-ökonomische Hintergrund und der Wohnort des Antragstellers bei den Kriterien für ein Stipendium keine Rolle“. Das System werde für alle EU-Bürger und bestimmte Nicht-EU-Bürger, die an einer Hochschule in der DG studieren oder eine mittelständische Ausbildung in Ostbelgien absolvieren möchten, zugänglich sein, insofern sie die jeweiligen Zulassungsbedingungen erfüllten. Mithilfe des Systems sollen mehr Kandidaten für ein Studium oder eine Ausbildung in den Mangelberufen gewonnen und gleichzeitig an den Standort Ostbelgien gebunden werden. Ziel sei, dass das Parlament der DG die letzte Fassung eines entsprechenden Dekretes im Juni verabschiedet. Anträge könnten dann ab September eingereicht werden. Erste Auszahlungen der 350 Euro monatlich könnten dann ab November erfolgen.

Ministerpräsident Oliver Paasch betonte, dass dies zwar eine bedeutende aber keineswegs alleinig ausreichende Maßnahme im Kampf gegen den Fachkräftemangel sei. Zur Zeit sei es um die wirtschaftliche Zukunft Ostbelgiens – wie nahezu überall – nicht gut bestellt. Die sogenannte Ersatzquote (die Zahl der nachrückenden Fachkräfte) läge heute bei 0,7. Das heißt: Von zehn Arbeitsstellen innerhalb der Mangelberufe, die vakant würden (durch Pensionierungen, etc.) rückten lediglich sieben Kandidaten für diesen Posten nach. Und diese Quote werde innerhalb der nächsten vier Jahre auf 0,4 sinken. Das seien alarmierende Fakten, denen dringend begegnet werden müsse. Eine der Antworten sei eben das Stipendiensystem. Darüber hinaus müssten dringend Reformen in der Sozial- und Steuergesetzgebung erfolgen, die den spezifischen Bedingungen und Gegebenheiten der DG entsprächen. Damit verweist der ProDG-Politiker darauf, dass die Grenznähe zu Luxemburg und Deutschland dazu führe, dass Fachkräfte nach einer qualitativ hochwertigen Ausbildung – oftmals innerhalb der Betriebe der DG – viel zu häufig anschließend eine Arbeitsstelle in Luxemburg oder Deutschland annehmen würden. Dass sei nicht unwesentlich der höheren Steuer- und Soziallast, denen hiesige Betriebe unterworfen seien, geschuldet. Der DG seien in diesen Fragen jedoch die Hände gebunden, weil an anderer Stelle darüber entschieden werde. Zur Zeit könne nur mit Nachdruck auf föderaler Ebene immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, den Rahmen zu schaffen, dieses Problem unserer Gemeinschaft eigenständig angehen zu können. Sprich eine Erweiterung der Autonomie und Zuständigkeit auf die Bereiche Steuern und Soziales, die eben zur Zeit noch bei der Föderalregierung liegen. Auf diese „harten“ Standortfaktoren könne die DG also nicht einwirken. Auf die „weichen“ Standortfaktoren hingegen sehr wohl. Dazu zählten neben dem Stipendiensystem ein größeres Betreuungsangebot für Kinder berufstätiger Eltern, Gehaltserhöhungen in der Seniorenpflege oder Kultur- und Freizeitangebote außerhalb der Arbeitszeiten. Einerseits wolle man durch gezielte Zuwanderung Fachkräfte nach Ostbelgien holen, andererseits aber auch aus der DG abgewanderte Fachkräfte wieder zurückholen. Nach Angaben des Ministeriums wohnen in der DG etwa 4.000 Menschen, die einer Arbeit in Luxemburg nachgehen, sowie 3.000, die in Deutschland arbeiten.

Geschäftsführer der Huppertz AG und Verwaltungsratspräsident des ZAWM Karl-Heinz Huppertz begrüßte das Stipendiensystem als „gute Initiative, den Standort Ostbelgien stark zu machen“. Auch für die Huppertz AG habe die Option im Raum gestanden, den Standort des Unternehmens nach Luxemburg zu verlagern. Bewusst habe man sich aber entschieden zu bleiben, weil das Kriterium der gesteigerten Lebensqualität das des finanziellen Vorteils überwogen habe. 82 Mitarbeiter aus sieben Nationen zählt das metallverarbeitende Unternehmen zur Zeit und von den bisher 25 in dem Betrieb ausgebildeten Fachkräften seien immerhin heute noch neun Teil der Belegschaft.

Altersgrenze festgelegt auf 18 Jahre: Das hat juristische Gründe.

Auf die Frage, warum die Altersgrenze, einen Antrag auf ein Stipendium stellen zu können auf 18 Jahre festgelegt worden sei, da doch ein signifikanter Teil der Auszubildenden bereits mit 15 oder 16 Jahren eine Ausbildung beginnen würden, nannte Paasch juristische Gründe. Damit die bei Antragsstellung unterzeichnete Vereinbarung, mindestens fünf Jahre nach Abschluss der Ausbildung in der DG zu arbeiten, rechtskräftig sei, müsse der Unterzeichner volljährig sein. Außerdem habe es deontologische Bedenken gegeben, Jugendlichen bereits mit 15 oder 16 Jahren eine solche Entscheidung abzuverlangen. Auf die Frage, wie denn zur Zeit das Verhältnis von Auszubildenden unter und über 18 Jahren sei, merkte Ministerin Klinkenberg an, dass 2022 zwar von den 255 Auszubildenden in der DG noch 147 (57 %) unter 18 gewesen seien, es aber seit geraumer Zeit bereits eine Verschiebung nach hinten gäbe, wann sich ein junger Mensch zu einer Ausbildung entscheide. Bereits jetzt läge das Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn über 18 Jahre.

Die Ministerin kündigte außerdem an, dass es sich bei dem Stipendiensystem um eine erste Phase handele und eine zweite bereits angedacht sei. Im zweiten Schritt soll das Stipendiensystem möglichst auf Mangelberufe erweitert werden, deren Ausbildung nicht in der DG angeboten würden und daher in anderen Regionen stattfinden müssten – beispielsweise in medizinischen Berufen.

GrenzEcho am 20.01.2023