„Im Idealfall keine Aufgaben mit nach Hause“

Wie nützlich sind Hausaufgaben noch? Über dieses Thema lässt sich trefflich streiten. Das Parlament der DG sieht jedenfalls Handlungsbedarf bei dieser Frage. Grundsätzlich sollen Angebote der außerschulischen Betreuung und der Hausaufgabenbetreuung in Zukunft kostenlos sein.

Hintergrund für eine Debatte bei der Regierungskontrolle im Fachausschuss war eine Frage des Abgeordneten Andreas Jerusalem (Ecolo) an Bildungsministerin Lydia Klinkenberg (ProDG), in der es um die Vernetzung von Schulen, Standorten der außerschulischen Betreuung (AUBE) sowie der Hausaufgabenbetreuung ging. AUBE und Hausaufgabenbetreuung sollen künftig kostenlos möglich sein. „Diese Maßnahmen einzuführen ist das eine. Dass diese Maßnahmen auch die nötige Qualität mit sich bringen, ist das andere“, so Jerusalem. Bis auf die Ankündigung habe man noch keine weiteren Infos erhalten. Dabei kämen auf alle Beteiligten enorme Herausforderungen zu, nicht zuletzt auf das Regionalzentrum für Kleinkindbetreuung (RZKB), das dieses Projekt führen müsse.

Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) habe in seiner Regierungserklärung im September 2022 angekündigt, „kostenfreie Hausaufgabenbetreuungsangebote innerhalb und außerhalb der Schulen (zu) schaffen“, sagte die Ministerin. Gleichzeitig arbeite man daran, dass Kinder nach der Ganztagsschule und nach der außerschulischen Betreuung „im Idealfall keine Aufgaben mehr mit nach Hause nehmen“ müssten. „Um dieses Ziel zu erreichen, wollten wir Hausaufgabenschulen, außerschulische Betreuung und Schulen enger vernetzen.“

In „Sondierungsgesprächen“ habe sich herauskristallisiert, dass das RZKB zwar an einzelnen AUBE-Standorten Hausaufgabenbetreuung anbiete, eine systematische Hilfe überall jedoch nicht zu gewährleisten sei. Zum einen fehle (ausgebildetes) Personal, zum anderen würde das Ziel Bildungsgerechtigkeit verfehlt, weil nicht alle Kinder von dem Angebot profitierten, da nun mal nicht alle Kinder die AUBE in Anspruch nehmen. „Natürlich wäre es auch nicht im Sinne des Kindeswohls, Anreize zu schaffen, noch mehr Kinder nach der Ganztagsschule in die AUBE zu orientieren, wenn die Familien eigentlich gar keinen Betreuungsplatz benötigen“, so die Ministerin.

Neben Platzschwierigkeiten gebe es auch ein Beförderungsproblem und zusätzliche organisatorische Erwägungen. Zurzeit werde daran gearbeitet, Anreize zu schaffen, damit Schulen selbst eine Betreuung der Schulaufgaben gewährleisten. Zudem soll es „verbindliche qualitative und quantitative Richtlinien für Schulaufgaben“ geben. „Ich habe bereits mehrere Schulleiterversammlungen zu diesem Thema einberufen. Über den Umfang und die Natur der Aufgaben, die die Schüler eigenständig erledigen sollen, bestand grundsätzlich Einigkeit“, sagte Klinkenberg. Entsprechende Bestimmungen sollen noch dieses Schuljahr über das sogenannte Sammeldekret verankert werden.

Die Schulleiter seien sich auch einig gewesen, dass es Bildungsgerechtigkeit nur dann gebe, wenn die Betreuung schulischer Aufgaben von allen Kindern in Anspruch genommen werden könne und wenn es dafür Fachpersonal gebe. „Da dies im Grunde nur dann der Fall ist, wenn die Schulen selbst diese Aufgabe übernehmen, haben wir gemeinsam mit den Grundschulleitungen über die Gelingensbedingungen ausgetauscht, damit Schulaufgaben auf Primarschulebene in der Schule erledigt werden können“, so Lydia Klinkenberg.

Weil Schulaufgaben in erster Linie dazu dienten, dass Schüler bereits erworbene Kompetenzen festigen und allmählich zu eigenständigem und eigenverantwortlichem Arbeiten befähigt werden, sei es nicht erforderlich, „dass schulische Aufgaben zu Hause erledigt werden“. „Vielmehr ist es wichtig, dass Schüler lernen, selbstständig zu arbeiten und dazu einen geeigneten Rahmen vorfinden“, meinte die Bildungsministerin.

Eine Zusammenarbeit zwischen der AUBE und den Schulen im Bereich der Hausaufgabenbetreuung scheine „nach eingehender Prüfung also weder realistisch noch opportun“.

Die beste Möglichkeit, die Bildungsgerechtigkeit zu fördern, seien schulische Betreuungsangebote. „Nicht umsonst umfasst die Ganztagsschule im benachbarten Ausland genau das, die Betreuung schulischer Aufgaben. Eine enge Vernetzung zwischen Hausaufgabenschulen und Schulen scheint uns dabei nach wie vor sinnvoll und wurde bereits initiiert.“ Das Kompetenzzentrum des ZFP begleite die Mitarbeiter der Hausaufgabenschulen, die nicht immer über eine pädagogische Ausbildung verfügen, in ihrer Arbeit. Diese Kooperation gehe weiter.

Wichtig: Die DG-Regierung beabsichtige nicht, Angebote der heutigen Hausaufgabenschulen (Ephata und Viertelhaus Cardijn in Eupen, Haus der Familie in Kelmis, Rotes Kreuz in St.Vith, ÖSHZ in Raeren und KAP am Athenäum Eupen) abzuschaffen: „Diese Einrichtungen stellen mit ihrem Engagement, insbesondere für die benachteiligten Schüler, weiterhin eine wichtige Unterstützung dar. Sie werden auch künftig eine sinnvolle und wertvolle Ergänzung zu den schulischen Angeboten darstellen, auch wenn sich der Fokus von der reinen Erledigung der Schulaufgaben vermutlich verlagern wird auf die individuelle Förderung jener Schüler, die zusätzliche Hilfe benötigen, weil sie zum Beispiel Lernschwierigkeiten aufweisen oder die Unterrichtssprache nicht beherrschen“, betonte die Ministerin. Das sei jetzt schon der Fall, da diese Schüler vermehrt die Angebote der Hausaufgabenschulen in Anspruch nehmen würden.

AUBE ist heute „komplett von Schulen abgekoppelt“.

Andreas Jerusalem schob den Gedanken der Vernetzung nach vorne. Im Moment sei die außerschulische Betreuung „komplett von Schulen abgekoppelt“. Für die Hausaufgabenschulen gelte dies auch, aber zumindest versuche man das zu ändern. Möglicherweise könnten Erzieher für einen „Brückenschlag“ sorgen. Karl-Heinz Lambertz (SP) forderte, bei der Reform der Kleinkindbetreuung, in deren Mittelpunkt das RZKB steht, „Nägel mit Köpfen“ zu machen. Er unterstütze die Meinung eines großen Teils von Wissenschaftlern, dass Hausaufgaben etwas seien, das man „durch eine bessere schulische Arbeit ersetzen“ müsse. „Da gehen wir ein bisschen hin“, so Karl-Heinz Lambertz. Wichtig sei auch, Hausaufgabenschulen von sozialen Betreuungsangeboten zu trennen, die man nicht infrage stellen solle und die sich auch nicht infrage gestellt fühlen dürften.

Alain Mertes (Vivant) wehrte sich gegen die Haltung, Hausaufgaben grundsätzlich reduzieren oder abschaffen zu wollen. Man könne über den Umfang streiten, doch Hausaufgaben erfüllten sehr wohl einen Zweck. Es gehe nicht nur um die Wiederholung des Gelernten, sondern darum, Aufgaben eigenständig zu organisieren. Steffi Pauels (CSP) regte an, das Thema „neu zu denken“, ebenso wie die Leistungsermittlung und die Bewertung. Lisa Göbbels (ProDG) schlug vor, sich Modellregionen anzuschauen. Bei allen Überlegungen müsse der Schüler im Zentrum stehen.

GrenzEcho am 14.04.2023