Eine erste Anhörung mit Vertretern des öffentlichen Sektors hatte bereits vor einiger Zeit stattgefunden stattgefunden. Nun hatten Vertreter und Fachleute aus dem privaten Sektors Gelegenheit aus ihrer Perspektive Stellung zu beziehen und Anregungen für das entstehende Wohnungsbau-Dekret zu geben. Im Zentrum der Anhörung stand die die Frage, wie man den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in der DG decken kann.
Zunächst sprach Yves Noël, Vertreter öffentlich-privater Partnerschaften im Bereich Wohnungswesen, der in der Vergangenheit die soziale Immobilienagentur Trilandum gründete. Noël betonte, dass es einen realen Bedarf für private Finanzierungen neuer Wohnungen und Renovierungen bestehender Immobilien gibt und dass dieser Bedarf nicht allein durch die „private Pipeline“ gedeckt werden kann. Deshalb habe er die Idee einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft (Noma Invest) entwickelt, welche komplementär und privat bezahlbaren Wohnraum finanzieren könnte.
Positives Feedback auf Pläne erhalten.
Nach ersten Gesprächen – auch mit der Politik – habe er im großen und ganzen positives Feedback erhalten. Ein erstes Objekt sei bereits in der Eupener Gospertstraße erworben worden, das per Mandat an Trilandum vermietet wurde. „Ein erster Test, der funktioniert“, so Noël. Weitere Objekte in Kelmis und Eupen seien ins Auge gefasst. Noma Invest sei eine Familienholding und sehe die Initiative ausschließlich als Kerninvestition für eine breitere allgemeinnützige Plattform, betonte Yves Noël. Noma Invest habe keineswegs die Absicht, dies alleine weiter zu entwickeln. „Es geht eher darum, die Urzelle einer privaten ostbelgischen gemeinnützigen Immobiliengesellschaft zu begründen“, präzisierte der Unternehmer im Ruhestand. Zudem habe man, nach Gesprächen mit der Regierung, die Proma AG als weiteren Partner gewinnen können. Die Proma AG werde sich in Kürze zu 50 % an dieser Gesellschaft beteiligen und somit die Investitionsmittel verdoppeln. Die bestehenden „kleinen“ Immobilienagenturen (Trilandum und Wohnraum für Alle) verfügten nicht über die Mittel, Neubauten in Angriff zu nehmen, so Noël. Daher habe man sich an die Sozialimmobiliengesellschaft Inclusio gewandt, um die eigenen und deren Mittel und Kompetenzen zu bündeln. Inclusio biete die Möglichkeit, schneller und effizienter Immobilien zu entwickeln. Abschließend richtete sich Yves Noël mit einem Appell an die Politik „Wir bitten also darum, dass das Dekret so gestaltet werden wird, dass diese Aktivität sich in Zukunft in Ostbelgien entwickeln kann. Wichtig ist auch den Akteuren die Möglichkeit zu geben, flexible Formen der Zusammenarbeit, der Synergien und gegenseitigen Unterstützung zu geben.“
Marc Brisack von Inclusio betonte, dass Inclusio ein sozialer Investor sei, der langfristig qualitativ hochwertigen Wohnraum zu erschwinglichen Mieten für benachteiligte Bevölkerungsgruppen bereitstelle. Inclusio verfolge das Ziel, ein bevorzugter Investitionspartner für sozial und gesellschaftlich nützliche Infrastrukturen zu werden. Um diese Aufgabe zu erfüllen, entwickelt Inclusio sein Portfolio auf der Grundlage von drei Schwerpunkten: bezahlbarer Wohnraum, Immobilien für Menschen mit Behinderungen und soziale Infrastruktur wie Schulen, Kindergärten und Asylbewerberheime.
Heinz Keul, Immobilienmakler und deutschsprachiger Vertreter von Federia, dem Verband der französischsprachigen Immobilienmakler Belgiens, betonte, das vorgesehene Finanzkapital sei viel zu niedrig angesetzt und müsste seiner Meinung nach verzehnfacht werden, um die in der Note gesteckten Ziele erreichen zu können.
Anreize für den Erwerb von Eigentum schaffen.
Dirk Vandriessche, Vertreter von Embuild Verviers-Ostbelgien, betonte die Bedeutung von Anreizen für den Erwerb von Eigentum, um die Absicherung der Bürger zu gewährleisten. Eine solche Politik würde den Druck auf den sozialen Wohnungsbau verringern. Allerdings sei der Erwerb oder Bau für viele (vor allem junge) Menschen nicht mehr erschwinglich, da die Baupreise steigen und die Banken seit der Finanzkrise viel selektiver in der Kreditvergabe geworden sind. Vandriessche schlug vor, dass die DG im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zinslose Darlehen, Investitionsprämien oder Garantien für den Bau eines Eigenheims gewähren sollte, um jungen Familien den Zugang zu Hypothekendarlehen bei den Banken zu erleichtern. Eine weitere Idee entsprach dem bereits von Yves Noël angesprochenen Vorschlag, der Schaffung eines Investitionsfonds für die DG, in den Privatpersonen oder Unternehmen eigenes Kapital gegen attraktive Renditen einzahlen könnten, um die erforderlichen Investitionen zu tätigen.
Vandriessche sprach sich außerdem für die Schaffung von Einzelhäusern statt ganzer Siedlungen im sozialen Wohnungsbau aus. Durchmischung sei wichtig, um Probleme zu vermeiden. Der ostbelgische Bausektor verfüge über hervorragendes Know-how und Ressourcen sowohl für Neubauten als auch für Renovierungen. Es müsse jedoch geklärt werden, wer die Koordination der Bauvorhaben übernehmen solle. Auch müsse die Politik administrative Hürden reduzieren, um den Tendenzen hin zu kleineren, aber höheren Häusern gerecht zu werden. Hier seien jedoch Mentalitätsänderungen sowohl bei den Bauherren als auch bei den Genehmigungsinstanzen erforderlich.
Robert Nelles (CSP) betonte in seiner Stellungnahme die Wichtigkeit einer Durchmischung in diesen Fragen des sozialen Wohnungsbaus. Freddy Cremer (ProDG) sieht öffentlich-private Partnerschaften als unumgänglich an, um den großen Bedarfen in der DG von Neubauten und Sanierungen gerecht zu werden.
Gemeinden sollten günstiges Bauland auf den Markt bringen, um den Baumarktpreis generell zu verringern, wie Michael Balter (Vivant) vorschlug.
Karl-Heinz Lambertz (SP) betonte, die Schwierigkeit, Entwicklungen einzuschätzen, sei ein großes Problem. Zudem müssten sich bereits andeutende Synergien zwischen Raumordnung und Wohnungsbau geschaffen werden. Inga Voss-Werding (Ecolo) regte an, aus Klima- und Naturschutzgründen den Fokus nicht alleine auf Neubauten zu legen und Renovierungen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Evelyn Jadin (PFF) warnte davor, Kredite zu strecken, um die Verschuldung von jungen Leuten zu vermeiden. Annemie Ernst-Kessler vom Bürgerrat betonte, dass die Rolle der Gemeinden bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sehr wichtig sei und dass auch der Privatsektor einsteigen sollte. Es wurde jedoch auch vom Bürgerrat die Frage nach alternativen Wohnformen und Flankierungsmaßnahmen gestellt, um das Wohnen auf dem Land attraktiver zu machen.
Minister Antonios Antoniadis (PS) betonte, dass Kapital (private Partner und öffentliche Hand) und Know-how (Inclusio) für zwei wichtige Ziele vereint werden müssen: Zum einen die Wirtschaftlichkeit und die soziale Verantwortung kombinieren um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und zum anderen die Gelegenheit nutzen eine „ostbelgische Unternehmung daraus zu machen“.
Etwas, das einen Mehrwert schafft für die Gesellschaft hier in Ostbelgien.
GrenzEcho am 08.03.2023