Seit 2019 ist das Bildungswesen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens im Wandel. Eine umfangreiche IT-Reform soll das System modernisieren, professionalisieren und die Bildungsgerechtigkeit erhöhen. Für Bildungsministerin Lydia Klinkenberg (ProDG) war es nach sechs Jahren an der Zeit, eine Zwischenbilanz der IT-Reform zu ziehen. Zu diesem Anlass hat sie die ostbelgische Presse am Mittwoch in das Königliche Athenäum St.Vith (KAS) eingeladen. Neben der Ministerin und dem Referatsleiter für IT-Unterrichtswesen Sébastien Lennertz, berichten KAS-Schulleiter Jean-Marie Greven, Sekundarschullehrerin Kohnen-Weinbrenner und Schülersprecherin Mia Toussaint von ihren jeweiligen Erfahrungen mit der Reform.
Die Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche und hat massive Auswirkungen auf das Bildungswesen. „Somit gehört die Digitalisierung für mich als Bildungsministerin zu den wichtigsten Aufgaben unserer Zeit“, so Lydia Klinkenberg. Deshalb sei es die Aufgabe der Schule, die Schüler als zukünftige Erwachsene auf die Welt von morgen vorzubereiten und ihnen Zukunftskompetenzen zu vermitteln, betonte die Ministerin einleitend. Dazu gehöre auch, dass das System „Schule“ sich ständig weiterentwickele und an die Anforderungen der digitalen Welt angepasst werde.
Bereits im Jahr 2017 wurde der Weg zur IT-Reform eingeschlagen und 2018 eine Beraterfirma beauftragt, eine Analyse durchzuführen. Die daraus entstandenen Empfehlungen flossen in das Konzept der IT-Reform ein, das in Zusammenarbeit mit Vertretern aller Akteure im Unterrichtswesen erarbeitet wurde.
Die Reform umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, das Bildungswesen zu modernisieren. Dazu gehören die flächendeckende Ausstattung aller Lehrpersonen, Sekundarschüler und Lehrlinge mit Laptops, die Einführung des einheitlichen Schulverwaltungsprogramms „Skolengo“, die Einsetzung eines IT-Verantwortlichen in den Sekundarschulen, die Anbindung der Schulen an den Glasfaseranschluss und vieles mehr.
Insgesamt belaufen sich die Kosten für die Erstausstattung von Lehrpersonen und Sekundarschülern bis 2024 auf rund 3,8 Millionen Euro, die vollständig – mit Hilfe von EU-Fördermitteln – von der DG finanziert werden. Ab 2025 und in den Folgejahren fallen etwa eine Millionen Euro pro Jahr für die Erstausstattung der neuen Schüler sowie für den Ersatz der bestehenden Geräte für die Sekundarschüler und Lehrpersonen an.
Das bekannteste Teilstück der IT-Reform sei wohl die Ausstattung der Schüler und Lehrer mit Laptops, die belgienweit einzigartig sei und die in Bezug auf den Schüler ebenfalls als Maßnahme zur Reduzierung der Schulbesuchskosten zu verstehen sei. Die flächendeckende Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz soll durch die Anschaffung der Geräte sichergestellt werden. Bislang wurden von rund 1.600 Lehrpersonen bereits 916 Laptops bestellt. Bei der Erlangung einer für die Digitalisierung notwendigen Medienkompetenz würden die Lehrer aber nicht alleine gelassen. Im aktuellen Schuljahr biete die AHS allein 27 verschiedene Weiterbildungsangebote im Bereich Digitalisierung an, so die Ministerin. KAS-Schulleiter Jean-Marie Greven verwies in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die Angebote im Rahmen von „Kultur macht Schule“ hin, die ebenfalls vermehrt zum Thema angeboten würden. Zudem werde ab September jedem Personalmitglied ein kostenloses Arbeitsgerät zur Verfügung gestellt, das über die eingerichtete Bestellplattform erworben werden kann. Dies betreffe auch Kindergärtner, Primarschullehrer, Fachlehrer im Grundschulwesen, Förderpädagogen im Regelgrundschulwesen und Sekundarschullehrer, so die Bildungsministerin weiter. Bislang konnten Kindergartenassistenten, Erzieher und Verwaltungspersonal der Bildungseinrichtungen kein Gerät über die Plattform beanspruchen. Die pädagogische Freiheit in der DG ermöglicht es den Schulen, ihre eigenen pädagogischen Konzepte zu entwickeln und die Laptops entsprechend in den Präsenzunterricht zu integrieren. Hierbei gehe jede Schule unterschiedlich vor, aber alle seien auf dem Weg, die Digitalisierung erfolgreich umzusetzen. Jean-Marie Greven, betont, dass die Digitalisierung in seiner 42-jährigen Berufslaufbahn bisher beispiellos sei: „Ich bin jetzt seit 42 Jahren im Beruf und ich kann ihnen versichern, das, was jetzt mit der Digitalisierung passiert, hat es innerhalb meiner Karriere im Bildungswesen noch nicht gegeben, wo auf so kurze Zeit so vieles sich implementiert und verankert hat“. Die Lernmethoden der Reformpädagogik, wie Lernbüros, Projektarbeit und Module, seien durch die neuen Lehrer- und Schüler-Laptops in einem Maße optimiert, wie es bisher nicht vorstellbar war. Allerdings sei die Digitalisierung nur ein Teil eines großen Ganzen. Ein Puzzle-Stück, dass dazu beitrage auf der Höhe der Zeit zu bleiben und die Bildung an eine sich ständig verändernde Welt anzupassen. Jedoch bringe eine reine Digitalisierung nichts. Dazu gehöre auch die Ausarbeitung eines Medienkonzeptes, was ebenso wichtig sei, so Jean-Marie Greven.
GrenzEcho am 30.03.2023