Digitalisierung in Schulen auf dem Prüfstand

In einer Interpellation an Bildungsministerin Lydia Klinkenberg (ProDG) macht Alain Mertes (Vivant) auf Gefahren und Probleme aufmerksam, die Vivant im IT-Konzept und der Digitalisierung des Unterrichtswesens in der Deutschsprachigen Gemeinschaft sieht.

Ende September 2022 hatte der Fachbereich Informatik im Ministerium ein IT-Konzept für das Unterrichtswesen in der DG vorgestellt, das sich auf die Ausstattung von Schülern und Lehrern mit Laptops im Sekundarschulwesen und in der dualen Ausbildung konzentriert. Laut Alain Mertes gab es jedoch bereits Rückmeldungen über Schwierigkeiten und Probleme wie mangelnde Internetanbindung, fehlende Lade- und Lagermöglichkeiten und Sicherheitsbedenken bezüglich der an die Schulen ausgelieferten Endgeräte. Auch gebe es Probleme mit der Verwaltung und Pflege der Geräte durch die IT-Verantwortlichen sowie Schwierigkeiten bei der Nutzung durch nicht technikaffine Lehrer, wie der Vivant-Politiker behauptet. Zudem informierte er sich bei der Ministerin nach den bisherigen Kosten des Projektes.

Bis Mitte Dezember sind insgesamt 809 Lehrerlaptops geliefert worden.

Das IT-Konzept sei für das Unterrichtswesen in der DG von 2011 bis 2017 entwickelt und 2017 in das Projekt „IT-Konzept für das Unterrichtswesen“ überführt worden, berichtete Ministerin Klinkenberg. Es umfasse alle Aspekte von Infrastruktur, Ausstattung von Personal und Schülern, bis hin zur Pädagogik und sei in Zusammenarbeit mit den Akteuren entwickelt worden.

Der Erwerb der Informations- und Medienkompetenz sei in der digitalisierten Welt unerlässlich und ein wichtiger Faktor für den Erfolg im Leben und Beruf. Um diese Kompetenzen flächendeckend zu vermitteln, seien Laptops für Schüler und Lehrlinge angeschafft worden. Der Leitfaden zur Vermittlung der Informations- und Medienkompetenz, der 2013 eingeführt und 2022 überarbeitet worden sei, bilde die Grundlage für die Ausarbeitung von „Schulcurricula“. Diese Kernkompetenzen sowie die Lese- und Schreibkompetenz seien integraler Bestandteil der Informations- und Medienkompetenz und ermöglichten das Erlernen neuer Fähigkeiten und Wissen, so die Ministerin.

Zu den Kosten der Digitalisierung erläuterte die ProDG-Politikerin, dass bei der Zurverfügungstellung von Laptops für das Lehrpersonal sich die Regierung zwischen 565,43 und 664,43 Euro pro Standardmodell, inklusive Computer-Maus und Schutzhülle beteiligt habe. Alle Dienstleistungen wie Support, Garantie, Versicherung, laufende Kosten für die Bestellplattform, Verwaltungsplattform für die IT-Verantwortlichen, Projektsupport und Projektmanagement seien in diesem Preis pro Gerät inbegriffen.

Bis Mitte Dezember 2022 seien insgesamt 809 Lehrerlaptops geliefert worden. Die Nutzung eines solchen Arbeitsgerätes sei für die Lehrer nicht verpflichtend, betonte die Ministerin. Die monatlichen Kosten betrügen zurzeit 12.297,16 Euro.

Die Gesamtkosten für die Ausstattung der Lehrpersonen aufgrund der aktuellen Bestellquote beliefen sich auf 461.293,87 Euro. Im Gegensatz zu den Laptops für die Lehrpersonen würden die Schülerlaptops nicht anhand eines Leasingmodells finanziert, sondern zum Preis von 449 Euro pro Gerät gekauft. Dazu komme eine Steuer für Kopien von digitalen Medien (Auvibel) von 4,84 Euro und die Schutzhülle von 15 Euro pro Gerät. Bis Mitte Januar seien für die Schüler (inklusive Ersatzgeräte für die Schulen) 3.736 Schülerlaptops für insgesamt 1.733.499,15 Euro gekauft worden.

Diverse Lizenzkosten beliefen sich auf 128.356,80 Euro pro Jahr und deckten den Bedarf von etwa 18.200 Endnutzern, d.h. des gesamten Schulpersonals und der Schülerschaft im Primar- und Sekundarschulwesen ab. Das entspreche etwa 7 Euro pro Nutzer pro Jahr oder 0,60 Euro pro Nutzer pro Monat, rechnete die Ministerin vor.

In seiner Replik machte Alain Mertes deutlich, er sehe im Kontext der Anschaffung der Laptops nach wie vor keine sinnvolle Herangehensweise. Medien- und Informationskompetenz könne auch ohne Endgerät für jeden Schüler gewährleistet werden. Längerfristig würden diese Geräte „vermutlich“ immer häufiger genutzt werden und das berge eine Gefahr, weil der Konsum von Text etwas Anderes sei als beispielsweise einen Film oder ein Theaterstück zu sehen. „Dort brauchen die Schüler kaum Vorstellungskraft. Sie konsumieren einfach das, was sie sehen. Bei einem Text, den man liest oder selber erarbeitet, ist das eine ganz andere Sache. Von daher sollte man vorsichtig sein mit dem Einsatz von diesen Geräten im Unterricht“, so der Vivant-Politiker. Wichtig sei ihm außerdem, dass die Freiwilligkeit der Nutzung digitaler Endgeräte für Lehrpersonen erhalten bleibe.

Andreas Jerusalem (Ecolo) betonte die Notwendigkeit der Medienkompetenz für eine erhöhte Chancengerechtigkeit. „Schule neu denken“ bleibe wichtig. Sowohl in der Politik als auch in den Schulen selbst. Auch wenn die Einführung der Endgeräte anders hätte laufen können, sei es im Sinne der Chancengerechtigkeit wichtig, dass alle ein Gerät bekämen.

Kirsten Neycken-Bartholemy (SP) berichtete von den Erfahrungen, die sie in Finnland machen konnte bezüglich der Digitalisierung an Schulen. Einige Jahre habe man dort gebraucht, die Digitalisierung zu etablieren.

Lisa Göbbels (ProDG) stellte fest, dass Veränderung bei manchen einen höheren Druck erzeuge als bei anderen. Hier in der DG werde ihrer Meinung nach sinnvoll reagiert auf sich verändernde Situationen. So sei die Anschaffung der Geräte eine wichtige Reaktion auf einen bestehenden Bedarf gewesen. In Richtung Alain Mertes sagte sie, es sei „fast eine Frechheit, zu behaupten, dass es ‚kaum‘ Weiterbildungsmöglichkeiten“ für Lehrkräfte gebe. Eine einfache Internetrecherche belege das Gegenteil. Außerdem sei und bleibe ein Laptop lediglich ein Gerät, ein Mittel zum Zweck. Der Umgang damit mache die Qualität des Unterrichts aus.

Für Shayne Piront (PFF) kommt die Digitalisierung eher zu spät als zu früh. Mit einem früheren Vorgehen hätte man der Coronakrise bereits anders begegnen können. Über die Vorgehensweise der Regierung könne man zwar diskutieren, aber im Endeffekt komme es auf das Resultat an und das, was wir daraus mache. Zudem regte die liberale Politikerin die Gründung eines schulinternen digitalen Rates an, um auf entsprechende Fragen antworten zu können.

Colin Kraft (CSP) kritisierte ebenfalls das Vorgehen der Regierung und regte an, prüfen zu lassen, ob eine private Nutzung der Schul-Laptops erlaubt werden könne. Bisher ist dies nämlich weder Lehrpersonen noch Schülern erlaubt. Zudem forderte er eine Evaluierung des Projektes mit Einbeziehung der Schüler, beispielsweise über eine Umfrage. Bis September erwarte er ein schlüssiges Konzept der DG-Regierung.

GrenzEcho am 24.01.2023