Die Form folgt der Funktion

Bis 2030 sollen alle Schulbauprojekte der DG umgesetzt worden sein. Zurzeit befindet sich das Projekt in der sogenannten „Phase null“. Was es damit auf sich hat und wie dieses ambitionierte Ziel der Bildungsministerin Lydia Klinkenberg (ProDG) konkret umgesetzt werden soll, erläuterten die verschiedenen beteiligten Akteure in einem Pressegespräch am Mittwoch in der Mediothek des César-Franck-Athenäums (CFA) Kelmis.

„Wir möchten moderne Schulbauten schaffen, um den Bildungsstandort Ostbelgien zu festigen“, fasste Bildungsministerin Lydia Klinkenberg (ProDG) das Ziel des Schulbauprogramms in einem Satz zusammen. Mit der Unterstützung von Stefan Niemann, einem Schulbauberater der Firma SICHT.weise aus Deutschland, ermittelten die schulischen Akteure ihre schülerzentrierten Bedarfe und beschäftigten sich mit den Möglichkeiten, die sich den Schulen auf pädagogischer Ebene durch die Erneuerung der Infrastruktur eröffnen. Neben der Ministerin und dem Schulbauberater berichteten Jacques Probst, Fachbereichsleiter Infrastruktur im Ministerium der DG, Carmen Gans, Schulleiterin der Sekundarschule des CFA, und Michael Vahlefeld, Schulleiter der Grundschule des CFA, von ihren Erfahrungen der umfassenden Konzeptentwicklung.

Die Regierung der DG plant, bis 2030 eine ganze Reihe von Schulbauprojekten umzusetzen, um den Bildungsstandort Ostbelgien zu stärken und den pädagogischen Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. In seiner Gesamtheit betrifft das Bauvorhaben nicht nur den Bildungsbereich, sondern auch den Sozial- und Kulturbereich, wie die Ministerin ergänzte. Prioritär würden zurzeit jedoch die Schulbauprojekte behandelt und betreffen vorwiegend die Standorte St.Vith, Eupen und Kelmis.

Worum geht es konkret? Die Schulbauprojekte sollen den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sowie den Anforderungen an ein inklusives und gerechtes Bildungssystem gerecht werden. Die Schulen sollen moderne Lern- und Arbeitsorte erhalten, um optimale Lernbedingungen zu schaffen. Damit diese hehren Ziele nicht bloß leere Worthülsen bleiben, „müssen alle Akteure, vom Lehrer über die Eltern bis hin zu den Schülern, das pädagogische Konzept der Zukunft mittragen und mitleben“, so die Ministerin. Dazu wurde das „Prinzip der pädagogischen Freiheit“ angewendet, um sicherzustellen, dass die Schulen den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entsprechen. Jede Schule könne entsprechend ihrer Bedürfnisse und pädagogischen Konzepte entscheiden, welche Art von Schule sie sein möchte. Es ist naheliegend, dass es für einen solchen partizipativen Prozess, bei dem so viele unterschiedliche Akteure beteiligt sind, einer Moderation bedarf. Und da kommt Stefan Niemann ins Spiel. Der Schulbaumoderator soll die Schulen bei der Umsetzung ihrer pädagogischen Konzepte und Definition ihrer Bedürfnisse unterstützen. Dass er im Vorfeld seiner Beratertätigkeit viele Jahre lang selber Lehrer war und auf eine zehnjährige Schulleitererfahrung zurückgreifen kann, hilft ihm, nach eigenen Angaben, sehr als Vermittler zwischen den oft weit auseinander liegenden Positionen der einzelnen Akteure. Eine seiner Aufgaben ist es, den Akteuren nahezulegen Theorie und Praxis sowie Pädagogik und Architektur nicht als konkurrierende, sondern sich ergänzende und gleichberechtigte Faktoren eines gemeinsamen Projektes zu betrachten.

Sowohl Carmen Gans als auch Michael Vahlefeld vom CFA – wo diese Evaluierungsphase 0 bereits abgeschlossen wurde – beschrieben in ihren Schilderungen den Prozess als einen sehr positiven und konstruktiven. Alleine zu erfahren, wie sich Schüler aller Altersstufen ihre Schule der Zukunft vorstellen, sei ungemein überraschend und bereichernd gewesen. Aber auch Elternschaft und Schule seien sich im Verlauf des Projektes näher gekommen.

Jacques Probst, Fachbereichsleiter Infrastruktur im Ministerium der DG, zeigte sich ebenfalls angetan von dieser doch eher ungewöhnlichen Vorgehensweise in der Planung öffentlicher Gebäude. Er verwies allerdings auch nochmal auf die vielen anderen Faktoren, die bei der konkreten baulichen Umsetzung zu berücksichtigen seinen. So beispielsweise die Aspekte der Nachhaltigkeit. Diese betreffen nicht nur die Verwendung der Baumaterialien oder die Energieeffizienz. Auch die Flexibilität der Nutzung spiele eine Rolle. Sind die pädagogischen Konzepte von heute noch dieselben in 20 Jahren? Wenn heute eher offene Lernlandschaften angesagt sind, kann es sein, dass zu einem späteren Zeitpunkt andere, weniger offene Räume angesagt seien. Auch dem müsse bei der Umsetzung Rechnung getragen werden.

Der Funktion die bestmögliche Form geben, ist Ziel des Programms.

In Kelmis wird es also nicht mehr lange dauern, bis die erarbeiteten Konzepte und Bedürfnisse in konkrete architektonische Pläne umgesetzt werden. Ebenso im Athenäum St.Vith, wo die „Phase null“ ebenfalls abgeschlossen ist. Bleiben dann noch über zehn weitere Bauprojekte in der DG nach diesem Konzept zu realisieren. Ob das, wie geplant, bis 2030 wirklich alles umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten.

Festgehalten werden kann jedenfalls, dass der Versuch, ein umfassendes und nachhaltiges Schulbauprojekt, das sich als Ziel gesetzt hat, als Grundlage für räumliche Gestaltung die Bedürfnisse der „Bewohner“ in den Vordergrund zu stellen, von allen bisher betroffenen Akteuren als gelungen bezeichnet wurde. Insofern ein guter Start in ein innovatives Vorhaben, bei dem die Form der Funktion folgt und gleichzeitig aber auch mit Sicherheit die Funktion, also im Fall einer Schule das Lernen, von der Form, also den entstandenen Räumlichkeiten, beeinflusst werden wird.

GrenzEcho am 02.03.2023