Bei der Regierungskontrolle im zuständigen PDG-Ausschuss richteten sich die Abgeordneten Raymond Heiners (ProDG) und Charles Servaty (SP) mit entsprechenden Fragen an Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG). Zum Hintergrund: Mit „Card Stop“ kann man Bankkarten oder andere Zahlungsmittel unter der Nummer 078/170 170 sperren, wenn man seine Bank- oder Kreditkarte verloren hat oder wenn diese gestohlen wurde. „Card Stop“ sei grundsätzlich der „einzige uns bekannte Dienst“, über den hiesige Banken solche Meldungen ermöglichten, erklärte Oliver Paasch. Und „Card Stop“ sei weder eine juristische Person noch ein eingetragenes Unternehmen. Es handele sich um einen Markennamen, der auf den europäischen Marktführer für elektronische Zahlungsdienste Worldline eingetragen sei.
Aufgrund der Wirtschaftsgesetzgebung seien Banken dazu verpflichtet, ihren Kunden einen „angemessenen Dienst“ zur Meldung eines Kartenverlustes zur Verfügung zu stellen. Die Webseite von „Card Stop“ enthalte alle Anweisungen, die ein Bankkunde befolgen müsse, wenn er ein Problem mit der Karte oder einer elektronischen Zahlung habe. Diese sei aber nicht auf Deutsch verfügbar. Der Anrufer habe zum Beispiel nur die Möglichkeit, sich zwischen Französisch, Niederländisch und Englisch zu entscheiden.
„Dass sich deutschsprachige Betroffene nach dem Verlust ihrer Bankkarte – also in einer zumeist emotionalen und stressigen Situation – nicht in ihrer Muttersprache verständigen dürfen, ist aus unserer Sicht diskriminierend und unzumutbar“, sagte Oliver Paasch. Vor fast einem Jahr habe er bereits die zuständige Föderalministerin Petra De Sutter (Groen) auf diesen „Missstand“ hingewiesen. Diese habe festgestellt, dass es rein privaten Unternehmen gemäß Verfassungsartikel 30 „freistehe, die Sprache zu verwenden, die sie wollen“. Obwohl ihre Handlungsmöglichkeiten also begrenzt seien, habe sie den Bankenverband Felbelfin dafür sensibilisiert. „Der Verband hat jedoch mitgeteilt, dass die Kosten-Nutzen-Analyse zur Aufnahme eines deutschen Callcenter-Angebots negativ ausfalle“, fuhr Oliver Paasch fort.
„Damit können und wollen wir uns nicht zufrieden geben. In der Tat gilt für rein privatwirtschaftliche Betriebe die freie Sprachwahl. Die Sprachengesetzgebung greift in diesen Fällen nicht. Nach Auffassung unserer Anwälte und Juristen muss jedoch eine Dienstleistung wie ‘Card Stop’, die (indirekt) gesetzlich geregelt ist und die den Schutz von Verbrauchern zur Grundlage hat, die sprachlichen Gegebenheiten der Sprachenregion, in der die Dienstleistungen angeboten werden, respektieren“, erklärte der Ministerpräsident.
Man denke, dass die durch die Banken an „Card Stop“ delegierten Aufgaben hier nicht den Anforderungen des Wirtschaftsgesetzbuchs entsprächen. Die gesetzliche Vorgabe, dem Verbraucher „angemessene Mittel“ (auf Französisch lautet die Formulierung „moyens appropriés“) zur Verfügung zu stellen, „wird in unserem Sprachgebiet nicht respektiert“, so Oliver Paasch. Deutschsprachigen Verbrauchern lediglich Mittel in einer Fremdsprache anzubieten, könne nicht als „angemessen“ bezeichnet werden.
„Zweitens stellen wir fest, dass der sogenannte Basisbankendienst für spezifische Kundengruppen sehr wohl unter die Sprachengesetzgebung im öffentlichen Dienst fällt. In Fällen, in denen ein Basisbankendienst angeboten wird, sind die Regeln der Sprachengesetzgebung unbedingt einzuhalten. Das dürfte unbestritten sein. Der Basisbankendienst beinhaltet wiederum zwingend ein Angebot für den elektronischen Zahlungsverkehr, der nach unserer Auffassung auch die Möglichkeit zur Sperrung einer Karte umfassen muss. Also muss dieser Dienst in deutscher Sprache angeboten werden“, meinte der Regierungschef.
Nicht zuletzt könne die Nicht-Bereitstellung der Möglichkeit, ein Problem mit der Karte in deutscher Sprache zu melden, als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot von Kunden angesehen werden. „Wenn Einwohner der Deutschsprachigen Gemeinschaft Deutsch nicht als Kommunikationssprache für den Dienst ‘Card Stop’ verwenden dürfen, so ist das eine Unterlassung, die in unseren Augen einer Diskriminierung gleichkommt.“ Deshalb bereite die Verbraucherschutzzentrale in Zusammenarbeit mit der DG-Regierung eine Unterlassungsklage vor. Ähnlich wie im Fall Eneco – der Energieanbieter war wegen Verstoß gegen die Sprachengesetzgebung verurteilt worden, weil er nicht auf Deutsch mit seinen Kunden kommunizierte – gelte es nun, Betroffene zu finden, die die Verbraucherschutzzentrale außergerichtlich oder über eine Sammelklage vor Gericht vertreten könne. Auf den Zeugenaufruf hätten sich inzwischen fünf Verbraucher gemeldet – was für eine Sammelklage ausreicht. „Dennoch ermutigen wir auch weiterhin alle Betroffenen, ihre Fälle gegenüber der Verbraucherschutzzentrale zu melden und einer etwaigen Klage somit noch mehr Gewicht zu verleihen“, so Paasch. Zudem habe die DG ebenfalls den föderalen Ombudsdienst für Finanzen kontaktiert und zur Ergreifung wirksamer Maßnahmen aufgefordert.
Raymond Heiners verwies auf das App-Angebot einer Bank, das es sehr wohl auf Deutsch gebe. Doch das gelte nun mal nicht für alle Banken, und zudem gebe es diese Möglichkeit nur auf dem digitalen Weg, weshalb es richtig sei, „es so zu machen“. Für Charles Servaty (SP) ist es enttäuschend festzustellen, dass Ministerin De Sutter nach einer „relativ oberflächlichen Prüfung“ zu dem Schluss gekommen sei, keine Handlungsmöglichkeit zu haben. Umso mehr begrüße er, dass die DG „den Dingen auf den Grund“ gegangen sei. Eine mögliche Klage sei hoffentlich erfolgreich. Robert Nelles machte im Namen der CSP-Fraktion ebenso deutlich, dass man das Vorgehen der Verbraucherschutzzentrale und der Regierung in dieser Frage begrüße und auf eine schnellstmögliche Lösung hoffe.
GrenzEcho am 17.01.2023