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Liesa Scholzen: Stellungnahme zur COVID-Resolution

Liesa Scholzen hat die Diskussion im Plenum über einen Resolutionsvorschlag von Vivant und einen entsprechenden Abänderungsvorschlag aller anderen Fraktionen im PDG genutzt, um noch einmal zur Sachlichkeit aufzurufen. Sie kritisierte den halb-wissenschaftlichen Anstrich und die Stimmungsmache vonseiten der Autoren des Resolutionsvorschlags. Wir brauchen eine Entemotionalisierung und müssen zurückfinden zur Kompromissbereitschaft!

Auf die beiden Zusammenarbeitsabkommen, denen wir zustimmen werden, möchte ich nicht erneut eingehen. Das wurde in den Berichten ausführlich dargelegt. Das betrifft ebenfalls den Resolutionsvorschlag zur Offenlegung der Verträge auf EU Ebene, die wir selbstverständlich unterstützen.

Ich werde mich in meinem Redebeitrag auf die Arbeit hier in der DG während der Pandemie und die Covid-Resolution konzentrieren.

 

Die Zeit der Pandemie war für niemanden einfach. Nicht für die Menschen, die die Maßnahmen beachten mussten und in ihrem täglichen Leben eingeschränkt waren.

Aber auch nicht für politische Entscheidungsträger, die in kurzer Zeit Maßnahmen treffen mussten und die Verantwortung der möglichen Konsequenzen getragen haben.

Nichtsdestotrotz sind wir hier in Belgien und in der DG vergleichsweise gut durch diese Zeit gekommen. Und das habe ich mir nicht einfach ausgedacht, das wird durch Experten bestätigt. Sei es durch die OECD, die einen umfassenden Bericht verfasst hat oder auch laut Bildungsexperten, zieht man beispielsweise den Vergleich zu Deutschland, wo die Schulen Monatelang geschlossen waren. In Belgien war es im Endeffekt „nur“ für 1en Monat, dafür hat sich auch unsere Regierung immer vehement eingesetzt.

 

Zudem hat die DG Hilfspakete in Höhe von 90 Millionen bereitgestellt, um schwer getroffene Sektoren, die in ihrer Arbeit eingeschränkt waren wie bspw die Gastronomie, kleine und mittelständische Unternehmen, die Kultur- und Musikbranche und Handwerksbetriebe zu unterstützen. Oder eben auch die, die enormen Einsatz gezeigt haben um die Bevölkerung beispielsweise zu pflegen oder zu unterrichten, … Eine große Pleitewelle konnte glücklicherweise abgewendet werden. Dass wir vergleichsweise gut durch diese Krise gekommen sind, haben wir aber vor allem der Bevölkerung zu verdanken, die sich solidarisch gezeigt hat, die verschiedenen Sektoren aufrecht erhalten hat und die sich gegenseitig unterstütz hat!

 

Und auch das Parlament ist nicht untätig geblieben, neben zahlreichen Ausschusssitzungen, Kontrollsitzungen und auch Treffen mit der Regierung zu den aktuellen Entwicklungen oder die fraktionsübergreifend verabschiedeten Krisendekrete, wurde der Sonderausschuss

ZUR AUFARBEITUNG DER COVID-19-PANDEMIE UND DER FOLGEN DER

DIESBEZÜGLICH GETROFFENEN MASSNAHMEN IN DER

DEUTSCHSPRACHIGEN GEMEINSCHAFT eingesetzt. Während 17 Monate wurde 41 Anhörungen organisiert und die Resultate flossen in einen über 1100 Seiten Bericht, ohne die Anhänge.

Zusammengefasst haben die Anhörungen ergeben, dass natürlich nicht alles perfekt gelaufen ist und die Dienstleister und Organisationen schwer getroffen wurden, aber alle haben die Unterstützungsmaßnahmen der DG gelobt und dazu gehört auch der permanente Austausch und die gute Kommunikation zwischen den verschiedenen Instanzen.

 

 

Ich komme zur Resolution und dem ursprünglich hinterlegten Vorschlag.

Auf knapp 100 Seiten legen die Autoren dar, dass in ihren Augen die Maßnahmen unverhältnismäßig und unnötig waren, dass Rechenmodele falsch oder nur auf Schätzungen beruhen, dass die Gesundheitssysteme nie wirklich überlastet waren, und so kann man es fortführen. All diese Vorwürfe und Behauptungen haben wir hier in diesem Parlament unzählige male diskutiert und aus diesem Grund werde ich diese Debatte nicht noch einmal führen. Ganz abgesehen davon, dass wir diese Übung während mehrerer Tage durchführen könnten.

 

Einige Dinge sind aber im Zusammenhang mit der Resolution sehr deutlich geworden:

 

  • Quantität bedeutet nicht automatisch Qualität

Was meine ich damit?

Die Resolution von rund 100 Seiten sieht auf den ersten Blick nach aufwendiger Recherche und detailgenauer Arbeit aus. Den Eindruck sollte sie wahrscheinlich auch erwecken. Der zweite Blick zeigt allerdings, dass alles andere als wissenschaftlich gearbeitet wurde.

Wie bereits im Ausschuss angemerkt, bezieht sich der Begründungstext maßgeblich auf die Arbeit der britischen Gruppe „Health Advisory and Recovery Team“ (HART), die im Jahr 2021

als Druckgruppe gegen die Eindämmungsmaßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie und

die COVID-19-Impfung gegründet wurde. Ziel der Gruppierung, so hätten verschiedene britische Medien berichtet, sei es, hinter einer wissenschaftlich anmutenden Fassade

Falschinformation zu verbreiten. Der Gruppe werden in der Resolution sogar Dankesworte übermittelt.

Zudem werden kausale Zusammenhänge hergestellt, wo nicht nachweislich welche sind und andere werden ignoriert oder verdreht. So werden auf 13 Seiten Statistiken zu Sterbefällen in der DG angeführt, um zu belegen, dass es keine Übersterblichkeit gegeben hat und die Maßnahmen folglich unnötig waren. Dass die Maßnahmen aber genau zu dem Zeitpunkt noch aktuell waren und inwieweit sie eine Übersterblichkeit verhindert haben könnten, wird nicht analysiert. Ist ja auch viel schwieriger: was wäre gewesen, wenn es keine Maßnahmen gegeben hätte? Diese Frage zu beantworten ist viel komplizierter und wir auch wissenschaftlich bearbeitet, kann logischerweise aber nur in Schätzungen münden, die allerdings seitens der Autoren kategorisch als nicht aussagekräftig abgetan werden.

 

 

  • Quellen anführen, bedeutet nicht automatisch, dass korrekt gearbeitet wird

Was meine ich damit?

Lassen sie mich ein Beispiel anführen. An einer Stelle in dem Dokument geht es um die Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen, beginnend mit Lockdown, über Ausgangssperre bis hin zum Tragen von Masken. In der Rubrik Lockdown habe ich eine beliebige Quelle angeklickt, die wie folgt von den Autoren zitiert wird: Quelle mit dem Zitat „Da die Coronakrankheit nachweislich auch ohne einen vollständigen Lockdown zurückgeht, ist es empfehlenswert, die derzeitige Politik umzukehren und den Lockdown aufzuheben.“ Dieser Satz steht einfach drin. Ohne die Studie in den zeitlichen Kontext zu setzen oder wo sie gemacht wurde. Wie der Autor arbeitet oder wer dahintersteht. Sagen wir also mal, die Wissenschaftlichkeit ist nicht automatisch gegeben.

Viel interessanter ist aber die Zitier-Technik der Autoren. Ich wiederhole: „Da die Coronakrankheit nachweislich auch ohne einen vollständigen Lockdown zurückgeht, ist es empfehlenswert, die derzeitige Politik umzukehren und den Lockdown aufzuheben.“ steht dort. Es fehlt allerdings der zweite Teil der Aussage: Ich zitiere: „Gleichzeitig ist es empfehlenswert, mit kostengünstigen Maßnahmen fortzufahren, wie das Tragen von Masken, erweiterten Testen von definierten Gruppen oder das Verbot von Massenzusammenkünften“. Und ohne jetzt die Quelle also solche oder deren Aussage zu kommentieren, könnte man ja meinen, dass die gleiche Quelle auch in dem Abschnitt zu den Masken wiederzufinden ist. Aber Fehlanzeige, dort zitiert an nur, was gegen das Maskentragen spricht. Folglich wurde es unter den Tisch fallen gelassen.

Diese Art zu arbeiten, zieht sich durch den gesamten Text und aus einer Quelle einen Halbsatz zu zitieren, der bestätigt, was ich denke und den Rest zu ignorieren ist alles andere als seriös.

 

 

Und das führt mich direkt zur dritten Feststellung:

Die eigene Meinung, durch selektiv bestärkende Aussagen zu belegen bedeutet nicht, dass eine objektive Aufarbeitung angestrebt wird.

 

 

Ein letzter Punkt ist die Nutzung eines bewusst gewählten Wortschatzes, befeuert die emotionale Debatte und verdrängt wissenschaftliche Argument

Was meine ich damit?

Maßnahmenflut, seelische Schäden unserer Kinder, verheerende Folgen, immense Schäden, nie dagewesene Dimensionen….

Das sind emotional aufgeladene Begriffe und die sind natürlich ansprechender und packen den Zuhörer eher als ein von Zahlen dominierter wissenschaftlicher Bericht. Allerdings darf man die Frage aufwerfen, ob eine Emotionalisierung der Debatte, in einem Dokument, in dem es angeblich um eine wissenschaftliche Aufarbeitung gehen soll, ihren Platz hat oder nicht eher zur Verunsachlichung der Debatte beiträgt. Oder ob nicht genau das auch erreicht werden will….

 

Werte Kolleginnen und Kollegen

 

Ich werde ihnen heute keine halb-wissenschaftliche Analyse meinerseits präsentieren über PCR-Test, Impfzulassungsverfahren, Übersterblichkeit, Ansteckung, oder was auch immer.

Dieses Parlament hat diese Themen im Rahmen seiner Möglichkeiten ausführlich während und nach der Pandemie diskutiert und ich lege beide Hände dafür ins Feuer, dass wir nichts neues hören werden. Der nächste Redner wird das mit Sicherheit ausdrücklich untermauern!

 

Und genau aus diesem Grund, haben wir den Abänderungsvorschlag so formuliert, wie er heute vorliegt. Wir setzen wir uns dafür ein, dass in Kooperation mit einem Netz aus multidisziplinär und international zusammengesetzten Organisationen dafür Sorge getragen wird, dass alle mit der COVID-19-Pandemie zusammenhängenden Aspekte, insbesondere die im Rahmen der Pandemiebekämpfung getroffenen Maßnahmen sowie deren Folgen und Auswirkungen, wissenschaftlich, objektiv und umfassend aufgearbeitet und dokumentiert werden, um aufgrund der resultierenden Erkenntnisse im Falle einer zukünftigen vergleichbaren Krise auf allen politischen Entscheidungsebenen besser gerüstet zu sein.

 

Niemand hier ist ein Wissenschaftler. Die Arbeit, die gemacht werden muss um die Forderung zu erfüllen, können wir auf parlamentarischer Ebene gar nicht leisten. Und das müssen wir auch nicht, denn andere können das wesentlich besser! Allerdings muss es von politischer Seite das Bekenntnis geben, dass wir solch eine Aufarbeitung nicht nur unterstützen, sondern konkret einfordern! Das ist auch logisch, denn wie soll man es beim nächsten Mal in einer vergleichbaren Situation besser machen?

Es gibt aber einen Riesenunterschied zu dem Text der Ursprungsresolution:

Wir nehmen das Resultat nicht vorweg!

Wenn ich eine objektive und wissenschaftliche Aufarbeitung fordere, dann kann ich doch nicht in den Resolutionstext und die Forderungen, die von mir persönlich, auf meiner Meinung basierende Schlussfolgerung einfließen lassen? Ist das seriös? Eher nicht.

Und selbst wenn die Autoren der Ursprungsresolution der Meinung sind, dass der jetzige Text auf irgendeine Weise ihre Arbeit diskreditiert oder Aspekte nicht aufgreift… Es gibt kein Argument dafür, gegen die Forderung zu sein, die ich gerade noch einmal vorgetragen habe.

 

 

Zum Schluss noch eine Anmerkung.

Ich habe eben dargelegt, dass die Zeit der Pandemie NIEMANDEM Freude bereitet hat und NIEMAND morgens aufgestanden ist und sich die Frage gestellt hat, wie kann ich die Wirtschaft kaputtmachen, die Kultur ersticken oder die Bevölkerung in den Wahnsinn treiben. NIEMAND!

Und noch etwas: immer und immer wieder wird wiederholt, dass die Bevölkerung gespalten ist, gespalten war oder wie auch immer. Stimmt das überhaupt? Oder wird dieses Narrativ bewusst platziert? Ich habe in der Pandemie einen riesengroßen Zusammenhalt gespürt und große Solidarität für betroffene Sektoren, ob sie nun übermenschliches leisten mussten oder um ihre Existent gefürchtet haben.

 

Darf ich die Frage stellen wer davon profitiert, wenn die Bevölkerung als gespalten dargestellt oder wahrgenommen wird?

Der Soziologe Steffen Mau hat ein Buch geschrieben über die sogenannte Polarisierung der Gesellschaft mit den Namen „Triggerpunkte – Konsens und Konflikt in der Gegenwartgesellschaft“.

 

Dort werden die letzten 30 Jahre empirisch beobachtet, um zu schauen, ob sich die Meinungen auseinanderentwickelt haben und das Resultat zeigt, dass das nicht in dem Maße der Fall ist, wie man vielleicht denken würde. Die Debatten entzünden sich an sogenannten Triggerpunkten, die politisch bespielt und in das Zentrum der politischen Debatte gerückt werden.

 

Diese Triggerpunkte bezeichnet Steffen Mau als „Sollbruchstellen der öffentlichen Debatte: „Wo plötzlich eine sachliche Debatte in eine emotionalisierte umschlägt, wo Leute rote Linien sehen.“ Das geschehe zum Beispiel häufig in den sozialen Medien. Dort seien die Pole in solchen Diskussionen „überlaut“, dabei gebe es eine distanzierte stille Mitte, die ihre Position nicht artikulieren könne, weil sie wenig Gehör bekomme.

Sie erinnern sich an meine aufgeworfene Frage, wer von Polarisierung profitiert? Reizthemen, solche Trigger, werden immer stärker von sogenannten „Polarisierungsunternehmern“, vor allem in der Politik und Medien, gesetzt. Um aus dem Streit politisches Kapital zu schlagen. „Das heißt, man bringt ein Thema, von dem man weiß, dass sich Leute relativ schnell aufregen, und zieht das in die Öffentlichkeit. Und dann entspinnen sich Auseinandersetzungen darüber, und es gibt eine klare Teilung in Dafür- und Dagegen-Positionen. Dabei wissen wir alle: Die Wahrheit liegt meistens irgendwo in der Mitte.

 

Man müsse diesen moderaten Stimmen mehr Raum geben, sagt der Autor. Außerdem wünscht er sich, dass „wir eine mittlere Position finden, indem wir versuchen, Themen nicht zu stark zu emotionalisieren“.

Und daran möchte ich anknüpfen. Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß, in Bezug auf den gesamten politischen Diskurs müssen wir zur Sachlichkeit finden. Wir können unterschiedlicher Meinung sein und trotzdem einen Kompromiss finden. Die aller Wenigsten vertreten extreme Positionen und wir sind uns in vielen Grundsätzen eigentlich einig. Wie wir es uns dann in der konkreten Umsetzung vorstellen, müssen und können wir ausdiskutieren! Ohne uns emotional triggern zu lassen und Ohne uns persönlich anzugreifen. Wir brauchen eine Entemotionalisierung und müssen zurückfinden zur Kompromissbereitschaft!

Für die ProDG-Fraktion, Liesa Scholzen