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Impulse für zukünftige Unterrichtspolitik

Sitzung des Ausschusses III vom 5. November 2015

Eine aktuelle Frage von Petra Schmitz an Minister Harald Mollers zum Thema: Vortrag von Prof. Dr. Uwe Schaarschmidt

Frage:

Letzte Woche war Professor Dr. Uwe Schaarschmidt auf Einladung der Regierung zu Gast in Eupen. Er referierte vor circa 150 Personen im Europasaal. Auch wir Mitglieder von Ausschuss III konnten im Rahmen einer öffentlichen Ausschusssitzung aufschlussreiche Erkenntnisse aus seinem Vortrag entnehmen.

Zu diesem Zusammenhang meine Frage: Welche Schlüsse ziehen Sie nach diesem Vortrag für Ihre zukünftige Unterrichtspolitik?

 

Antwort:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Werte Kolleginnen und Kollegen,

der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Schaarschmidt „Lehrergesundheit fördern, Schule stärken“ hat mich sehr beeindruckt. Er hat mich einerseits in gewissen Entscheidungen und Sichtweisen gestärkt und mir andererseits neue Denkanstöße geliefert.

Wie ich bereits bei der Vorstellung der Krankenstatistik erläutert habe, konnten wir im Schuljahr 2013-2014 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der Krankentage um 12% verzeichnen. Die Erkenntnis, dass ein Rückgang der Krankheitstage rein statistisch gesehen nicht unbedingt bedeutet, dass auch die Belastungssituation der Lehrer abnimmt, war für mich neu und hat meine Sichtweise sicherlich korrigiert. Diese Erkenntnis sollten wir für zukünftige Überlegungen nicht außer Acht lassen.

Es gibt erstaunlich viele interessante Schlüsse, die Prof. Schaarschmidt aus seinen Studien gezogen hat, und die sich unter anderem in unserem REK-Konzept „Gutes Personal für gute Schulen“ (GPGS) wiederspiegeln. Das freut mich natürlich sehr!

In diesem Konzept plädieren wir ja für eine grundlegende Modernisierung des Dienstrechtes im Unterrichtswesen in der DG, das zum einen die Eigenverantwortung der Schulen stärken und zum anderen die Unterstützungsmaßnahmen für die Lehrer optimieren soll.

Im Folgenden werde ich Ihnen anhand der Ergebnisse aus der Potsdamer Lehrerstudie unsere Überlegungen für die zukünftigen Maßnahmen erläutern:

 

Prof. Schaarschmidt schlussfolgert aus seinen Untersuchungen, dass Lehrkräfte und Schulleitungen mehr unterstützt werden müssen.

Und auch unser Konzept GPGS sieht vor, insbesondere die Studienabgänger und Quereinsteiger während der s.g. Berufseinstiegsphase in den ersten Jahren zu unterstützen und ihnen beratend zur Seite zu stehen. Aktuell gibt es eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Schulleitern, Lehrern und Vertretern der Schulträger, die sich mit dem Thema befasst, Maßnahmen zur individuellen Begleitung der Lehrer auszuarbeiten. In den ersten fünf Jahren sollen die Berufseinsteiger nicht mehr von der Schulinspektion und der Schulleitung bewertet werden, sondern anhand von konstruktiven Rückmeldungen, Entwicklungszielen und Zielvereinbarungen gefördert werden.

Wie Prof. Schaarschmidt betonte, geben klare Ziele Sicherheit, sind motivationsfördernd und somit auch gesundheitsfördernd. Damit die Schulleitungen zusätzliche Kompetenzen erwerben können, um ein Klima der gegenseitigen Unterstützung zu schaffen, gibt es in der aktuellen Schulleiterausbildung ein Modul „Salutogenes Leitungshandeln“, wofür Prof. Schaarschmidt ja ebenfalls plädierte.

 

Eine verbesserte Kommunikation und Koordination auf Schulebene fördert ebenfalls die Lehrergesundheit, so Schaarschmidt. In den letzten Jahren hat sich die Kommunikation innerhalb der Schulen beispielsweise durch Fachteams und kollegiale Hospitationen bereits verbessert. Teamarbeit und kollegialer Austausch unter Lehrern sollten zu einem Selbstverständnis werden, da Teamarbeit mittel- und langfristig zu einer Aufwandsreduzierung führt und damit eine zeitsparende Auswirkung hat. Dazu bedarf es jedoch passgenauer Weiterbildungsmaßnahmen, die durch die Weiterbildungskommission angeboten werden müssen.

 

Dass die Lehrer in der heutigen Zeit mit vielfältigen und neuen Aufgaben konfrontiert werden, ist uns bewusst. Wir möchten ihnen jedoch den Druck nehmen und ihnen die nötige Zeit und die notwendige Unterstützung geben, neue Aufgaben Schritt für Schritt zu implementieren. Die Arbeitszeit der Lehrer ist ebenfalls eine Thematik, die uns schon lange beschäftigt. Das aktuelle Arbeitszeitmodell beschränkt sich in erster Linie auf den Bereich der Unterrichtsverpflichtung und wird somit den Anforderungen an den komplexen Beruf des Lehrers und an die schulische Organisation nicht mehr gerecht. Es könnte beispielsweise von einem Modell mit Gesamtarbeitszeit abgelöst werden. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage des Arbeitsplatzes.

Wie Prof. Schaarschmidt mehrmals betont hat, ist es schwierig für Lehrer, Berufliches und Privates strikt zu trennen, da sie immer Arbeit mit nach Hause nehmen. Persönliche Arbeitsplätze für Lehrer in den Schulen einzurichten, wie Prof. Schaarschmidt vorschlug, ist ein möglicher Lösungsansatz, erfordert aber ein Umdenken in der Planung von Schulinfrastrukturen.

 

Die Eignung zum Lehrerberuf frühzeitig erkennen und fördern ist ein weiterer Ansatz.

Viele Probleme beginnen schon früh während der Ausbildung. Prof Schaarschmidt fordert deshalb, das Lernen situationsnäher zu gestalten. Die Statistiken der Bewältigungsmuster der Potsdamer Studie zeigen im benachbarten Ausland eine alarmierende Anzahl von Studenten, die womöglich nicht für den Lehrerberuf geeignet sind. Auch wenn die Lehrerausbildung in der DG schon im ersten Studienjahr Praktika vorsieht, spricht nichts dagegen, den angehenden Studenten zusätzliche Reflexionsmöglichkeiten zu bieten, bevor sie das Studium beginnen.

Das Modell der Selbsteinschätzung „Fit für den Lehrerberuf“, das online vom Institut „Coping“ (Wien) zur Verfügung gestellt wird, wäre da eine mögliche Unterstützung. Eine aufschlussreichere Option, um sich seiner Berufung sicherer zu sein, wäre, sich selbst in praktischen Situationen zu testen, sei es in Vorpraktika oder bei Kinderbetreuung im Ferienlager.

Denn, wie Prof. Schaarschmidt richtigerweise Wilhelm von Humboldt zitierte: „Nie ist das menschliche Gemüt heiterer gestimmt, als wenn es seine richtige Arbeit gefunden hat.“

 

Ich hoffe, dass Prof. Schaarschmidt viele Schulleiter und Lehrer mit seinem Vortrag für die Achtung ihrer Gesundheit sensibilisieren konnte, für die jedoch auch jeder Einzelne ein hohes Maß an Selbstverantwortung trägt. Dieser Vortrag hat verdeutlicht, dass viele Probleme in der jeweiligen Schule gelöst werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass man den Schulen den nötigen Freiraum gewährt und ihnen die Möglichkeit bietet, die dazu erforderlichen Kompetenzen zu erwerben.

 

Prof. Schaarschmidt hat in Kooperation mit anderen namhaften Experten in Wien das Institut „Coping“ gegründet. Dort werden laufend Arbeiten zur praktischen Umsetzung der Untersuchungen weitergeführt. Hier können Schulen auch eine Beratung anfragen, die eventuell über einen speziell ausgebildeten Coach/Moderator erfolgt.

Wir sind sehr offen für eine mögliche Zusammenarbeit und stellen gerne die Kontakte her.

 

Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit in der letzten Woche und hier und heute!

Harald Mollers, Minister für Bildung und wissenschaftliche Forschung